2017: 04 Leitantrag Wahlprüfsteine

Im Herbst 2017 finden die Wahlen zum Deutsche Bundestag statt. Dabei wird es in vielen Politikfeldern  Weichenstellungen geben, die über die zukünftige Entwicklung unseres Landes entscheiden. Dies gilt z. B. im Bereich der Gesundheitspolitik für die Entscheidung, das bisherige duale System von Gesetzlicher oder Privater Krankenversicherung fortzuentwickeln oder stattdessen eine Einheitsversicherung einzuführen.

Die Landesversammlung Bayern des FVDZ stellt an die politischen Parteien folgende Forderungen:

  1. Krankenversicherung
    Die bayerischen Vertragszahnärzte fordern nachdrücklich, die duale Krankenversicherung zu erhalten, um damit Wahlfreiheit und Wettbewerb zu gewährleisten. Eine ausschließlich ideologisch motivierte Bürgerversicherung löst keines der Probleme, mit denen das deutsche Gesundheitssystem konfrontiert wird. Eine Einheitsversicherung wird dem Gedanken, die Krankenversicherung demografiefest zu machen, nicht gerecht.

    Statt den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung weiter auszubauen und damit die Beiträge der Versicherten weiter in die Höhe zu treiben, muss dem Grundgedanken eines solidarischen Versicherungssystems wieder Vorrang eingeräumt werden. Dabei kommt es ganz entscheidend auf die Eigenverantwortung der Versicherten an. Leistungen, die nicht notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, dürfen nicht von der Solidargemeinschaft finanziert werden. Für Patientinnen und Patienten besteht die Möglichkeit, im Rahmen von Zusatzversicherungen Risiken und Kosten zu minimieren.

  2. Selbstverwaltung
    Die (berufsständische) Selbstverwaltung zählt zu den tragenden Säulen des deutschen Verfassungsmodells. Nicht der Staat ist das Maß aller Dinge, sondern der Mensch. Auf Basis des Subsidiaritätsprinzips werden berufsständische Angelegenheiten von Selbstverwaltungskörperschaften wahrgenommen. Dabei kommt dem Staat die Rechtsaufsicht zu. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung zu erhalten. Natürlich müssen sich Selbstverwaltungsorganisationen angesichts neuer Herausforderungen auch weiter entwickeln.

    Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die vertragsärztliche/vertragszahnärztliche Selbstverwaltung nicht an Missständen zu messen, die auf persönlichem Fehlverhalten Einzelner beruhen, sondern an ihrer Leistung für die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, flächendeckenden medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung. Selbstverwaltung braucht Gestaltungsspielräume, die nicht durch Fachaufsicht der für die Rechtsaufsicht zuständigen Ministerien in Bund und Ländern in Frage gestellt werden dürfen. Kontrollorgan der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung ist die Vertreterversammlung, deren Stärkung durch den Gesetzgeber ausdrücklich zu begrüßen ist.  Zur Selbstverwaltung zählt entscheidend die Bereitschaft der Berufsträger, sich für die Mitarbeit in den Gremien und Organen der Selbstverwaltung ehrenamtlich zu engagieren. Die Übernahme von Verantwortung in der Selbstverwaltung darf nicht durch steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Einschränkungen erschwert werden.

  3. Approbationsordnung
    Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Herbst 2016 den Entwurf einer Novelle zur Approbationsordnung für Zahnärzte vorgelegt. Die bayerischen Zahnärztschaft geht davon aus, dass dieses Konzept zügig umgesetzt wird, wobei hier insbesondere den Belangen von Forschung und Lehre Rechnung zu tragen ist. Gleichzeitig gilt der Anspruch, alle Gebiete der Zahnheilkunde im Rahmen des Studiums zu unterrichten und die Studierenden für die Ausübung ihres Berufes zu qualifizieren. Dies betrifft ausdrücklich auch die Erbringung zahntechnischer Leistungen im Rahmen der prothetischen Behandlung. Bund und Länder sind gefordert, ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Zahnmedizin-Studium an der Weiterentwicklung von Zahnmedizin und Zahntechnik auszurichten.

  4. Delegation von Leistungen
    Anders als bei der ärztlichen Versorgung bedarf es bei der zahnmedizinischen Versorgung keiner Substitution zahnärztlicher Leistungen durch fortgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei ist der derzeit in §1 Abs. 5 verankerte Delegationsrahmen völlig ausreichend und muss unverändert erhalten bleiben. Eine Substitution zahnärztlicher Leistungen ist insbesondere unter den Aspekten der Qualität und des Patientenschutzes abzulehnen.

  5. Praxislabor
    Zum Berufsbild des Zahnarztes zählt auch die zahnmedizinisch-fachliche Kompetenz zum Betreib eines Praxislabors bzw. Gemeinschaftslabors einer Praxisgemeinschaft, das ausschließlich der Versorgung eigener Patientinnen und Patienten dient. Das Praxislabor muss als tragfähiges Element der zahnärztlichen Behandlung und Versorgung erhalten bleiben. Allen Angriffen auf die Praxisstruktur der Zahnärzteschaft wird eine Absage erteilt.

  6. Keine Normung von Gesundheitsdienstleistungen
    Die bayerische Zahnärzteschaft sieht in der Standardisierung von Gesundheitsdienstleistungen, wie sie von der EU-Kommission verfolgt wird, einen Angriff auf das individuelle Zahnarzt-Patientenverhältnis. Weder gibt es „genormte“ Patientinnen und Patienten, noch gibt es „genormte“ Zahnärztinnen und Zahnärzte. Daher können heilkundliche Leistungen auch nicht normiert werden. Der hohe Standard der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland hat sich nicht auf Basis von Normierungen, sondern auf der Basis von Aus-, Fort- und Weiterbildung der Zahnärztinnen und Zahnärzte und der verantwortungsvollen Berufsausübung entwickelt.

  7. Digitalisierung
    So sinnvoll die Prüfung und Anwendung digitaler Techniken auch bei der Erbringung zahnärztlicher Leistungen erscheint, so sehr muss vor der totalen Digitalisierung des Medizinbetriebs gewarnt werden. Digitale Daten können bei der Diagnose von Erkrankungen auch im Bereich der medizinischen und zahnmedizinischen Forschung eine wichtige Rolle spielen. Der zahnmedizinische Standard jedoch entwickelt sich auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen. Grundlage des Behandlungsvertrages ist das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnärztin und Zahnarzt auf der einen Seite, Patientin und Patienten auf der anderen Seite. Dieser Vertrauensbeziehung wird in Zukunft gerade im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung eine noch größere Bedeutung zukommen. Datenschutz ist (auch) Patientenschutz.

  8. Ärztliche Versorgungswerke
    Die bayerische Zahnärzteschaft erteilt nicht nur der Einheits-Krankenversicherung eine Absage, sondern ebenso allen Bemühungen, ein einheitliches Rentensystem für Arbeiternehmer, Angestellte und Selbstständige zu entwickeln. Die berufsständischen Versorgungswerke in Frage zu stellen, bedeutet einen Eingriff in Art. 14 Grundgesetz (Eigentumsschutz). Stattdessen muss die Befreiung von der Gesetzlichen Rentenversicherung für alle Zahnärztinnen und Zahnärzte gelten, die im Rahmen ihrer Berufsausübung spezifisches Zahnarzt-Wissen anwenden. Die Befreiung muss auch für hauptamtlich in der zahnärztlichen Selbstverwaltung beschäftigte Berufsträger erhalten bleiben.

  9. Steuerpolitik
    Zahnärztinnen und Zahnärzte als Leistungsträger in der Gesellschaft werden bereits heute mit Höchstsätzen bei der Einkommenssteuer belegt. Daher erscheint die Forderung gerechtfertigt, im Rahmen einer künftigen Steuerreform im gleichen Umfange entlastet zu werden, wie dies für andere Steuerbürger gilt. Da Zahnärztinnen und Zahnärzte einen Freien Beruf ausüben, wird eine Einbeziehung in die Gewerbesteuer strikt abgelehnt. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer, soweit damit originär zahnärztliche Leistungen erfasst werden sollen.

    Staat und Sozialversicherung sind aufgerufen, dem besonderen Gepräge freiberuflicher Dienstleistungen Rechnung zu tragen und die Investitionsfähigkeit der Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht durch zusätzliche Steuerbelastungen einzuschränken.

  10. Entbürokratisierung
    Es muss endlich Ernst gemacht werden mit der Ankündigung der Politik, den Mittelstand in Deutschland von Bürokratie zu entlasten. Dies gilt insbesondere für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Der permanent zunehmende Aufwand einer vertragszahnärztlichen Praxis für Verwaltungsarbeiten, die zunehmenden Anforderungen in den Bereichen Hygiene, Dokumentation, Arbeits- und Brandschutz, Qualitätsmanagement und -sicherheit müssen endlich wieder auf ein normales Maß zurückgeführt werden, um auch kleineren Praxiseinheiten ein auskömmliches Arbeiten zu ermöglichen. Zunehmend gefährden die ausufernden Anforderungen des Gesetz- und Verordnungsgebers gerade die kleinen Einheiten in existenzbedrohender Weise. Dem muss Einhalt geboten werden, um die flächendeckende zahnärztliche Versorgung – auch in Zukunft – zu gewährleisten.

  11. Beendigung von Budgetierung und Degression
    Die Zahnmedizin ist innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) planwirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten ausgesetzt. Wichtige, gerade zahnerhaltende, Maßnahmen sind durch die Gesamtvergütungsobergrenze budgetiert. Bei einigen Kassen kommt es regelmäßig zu Budgetüberschreitungen. Die KZVB kann derzeit den Mangel nur verwalten.  Auch die Degression ist inakzeptabel, soweit sie sie die Fleißigen bestraft. Gerade im ländlichen Raum erbringen viele niedergelassene Kollegen deutlich mehr Behandlungsleistungen als der Durchschnitt und sichern die wohnortnahe Versorgung im Flächenstaat Bayern. Schon heute tun sich viele Zahnärzte schwer, im ländlichen Raum einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden. Mit Blick auf eine drohende Unterversorgung in einigen Regionen Bayerns müssen die Budgetierung und die Degression in der nächsten Legislaturperiode abgeschafft werden. Leistung muss sich endlich wieder lohnen.

Einstimmig angenommen